Fortsetzung der Dissi von hier:
http://forum.treknation.net/index.php?topic=1142.msg35051#msg35051Um nicht Off-Topic im vorigen Thread zu gehen, möchte ich meinen Punkt hier wieder aufnehmen:
Kindercharaktere in Star Trek sind recht ambivalent gehalten.
Sie gehen manchmal sehr ins Extreme (Beispiel Wesley Crusher), aber bleiben auch sehr realistisch (Beispiel Jake Sisko und Nog).
Ich habe die Dissi hierher verlagert, weil es mir sinnvoll erschien, da ich die Diskussion um Reboot-Kirk & Co. gern erweitern möchte.
Hier wurde das Alter der Figuren und ihre Position (immerhin Kommandooffiziere auf dem Flaggschiff der Föderation) diskutiert und das sollte auch dort fortgesetzt werden, wenn es um diese Figuren geht.
Aber ganz im Allgemeinen - und dazu komme ich jetzt - sollten wir das Thema lieber hier fortsetzen.
Also:
Ich denke, man sollte auch hier nicht nur schwarz und weiß sehen, denn es kann eine weitere Ausnahme zum Punkt Alter/Verantwortung geben, die aber - speziell bei Kirk & Co. nicht greift.
Da es aber immer wieder ein Kritikpunkt ist, kann man diese Prämisse auf alle Spezies ausdehnen.
Angeführt wurde von Uli - und das sehr richtig - dass ein Captain oder Commander - eine gewisse dienstliche Erfahrung schon haben muss.
Entsprechend ist es unlogisch, einen 20/25 Jährigen in den Stuhl des Captains zu packen.
Ihm fehlen grundsätzlich praktische Erfahrung und - in den allermeisten Fällen (98 %) die charakterliche Reife.
Dieses Argument ist absolut logisch, allerdings gibt es Ausnahmen, die gerne außer Acht gelassen werden und das wollte ich hier beleuchten:
Warum das Problem mit der charakterlichen Reife?
Menschen haben eine mittlere Lebenserwartung von 75-80 Jahren (im 24. Jahrhundert scheint sich Diese auf gut 100-120 erweitert zu haben, basierend auf besserer Medizin, Ernährung, Lebensqualität und so weiter).
Der normale charakterliche Reifeprozess eines Menschen beträgt in der Regel (laut der Forschung) ca. 25 Jahre +/- 5.
Die hinzukommende Lebenserfahrung (speziell wenn es um leitende Jobs geht [Captain eines Raumschiffes zum Bleistift]) spielt natürlich auch immer noch eine Rolle.
Uli merkte an, dass auch seine andorianische Figur eigentlich zu jung ist, um Captain zu sein.
Hier möchte ich jedoch auf die Bremse treten und einen folgenden Punkt anmerken, bevor hier jeder Autor beginnt, seine Figuren altersmäßig umzuschreiben, denn dieser Punkt darf nicht unbeachtet gelassen werden:
Der charakterliche Reife-/Entwicklungsprozess eines Individuums ist von verschiedensten Faktoren abhängig, von denen ich mal Einige benennen möchte:
- persönliche Erfahrungen
- soziales und familiäres Umfeld
- Intelligenz
- und - ganz wichtig - Lebenserwartung
es wird häufig kritisiert, dass junge Figuren schnell viel zu erfahren dargestellt werden und damit unglaubwürdig sind/wirken.
Hier muss jedoch die Lebensgeschichte berücksichtigt werden, was ich an einem Beispiel erläutern möchte:
Fall 1: für gewöhnlich verläuft der Entwicklungsprozess in einem "normalen", (relativ) stabilen Umfeld mit Familie und Gesellschaft.
Entsprechend hat das Individuum Zeit, von Anderen zu lernen und genießt den Vorteil einer Erziehung und Ausbildung.
Für gewöhnlich benötigt dieser Reifeprozess bei Menschen ca. 20 Jahre +/- 3 bis 4 Jahre.
Fall 2: in dieser Situation ist das Individuum in einer gänzlich anderen Lage: Seine Gesellschaft ist wesentlich rauer und es wird sehr früh mit allerhand Gefahren konfrontiert, die man nun mal nicht einfach eliminieren kann.
Als Beispiel möchte ich indigene Völker aufführen.
Hier wird von einem Individuum schneller (Eigen-)Verantwortung erwartet und entsprechend sehen auch Erziehung und Erfahrungen aus.
Da ist es schwer vorstellbar, dass Kinder/Jugendliche bis zum Alter von 16, 17, 18 viel Zeit haben, sich zu amüsieren und mit eher unbedeutenden Dingen Zeit zu verbringen. Sie müssen wesentlich früher gesellschaftliche Verantwortung und Aufgaben übernehmen, um das Überleben der Gruppe zu gewährleisten.
Entsprechend früh bringt man ihnen also bestimmte Fähigkeiten bei (Landwirtschaft, Jagen, Fischen, Hausbau, etc.)
Es wird wohl kaum ein Kind in Deutschland geben, dass - unter normalen Verhältnissen - mit 8, 9 oder 10 - lernt, wie man Beute jagt, zur Strecke bringt, eine Hütte baut und so weiter.
In einer derartigen eher "einfachen" Gesellschaft (das Wort "primitiv" vermeide ich gern) sind diese Dinge jedoch unverzichtbar.
Entsprechend wird hier die charakterliche Entwicklung - vor Allem durch Erziehung und Stammeskultur - völlig anders verlaufen, als in Deutschland, Amerika oder Frankreich.
Weil ansonsten dieses Individuum eher eine (so hart es klingt) langfristige Belastung für den jeweiligen Stamm darstellt, die mehr Ressourcen kostet, als sie Nutzen bringt.
=A=
Entsprechend muss auch dieser Punkt bei Figuren in Geschichten zu Star Trek berücksichtigt werden.
Die Föderation ist eine friedliche und äußerst sichere Gesellschaft mit einem enorm hohen "Luxuspotenzial".
Ressourcen gibt es fast im Überfluss.
Nahrung, Gesundheitsversorgung und Bildung sind kostenlos.
Ressourcen müssen - nur sehr begrenzt - aufwändig hergestellt/abgebaut werden.
Da bleibt dem Individuum weitaus mehr Zeit zur Entwicklung seiner Persönlichkeit, als in einer Gesellschaft, in der die Leute täglich ums Überleben kämpfen müssen.
Diese Beispiel soll verdeutlichen, dass es immer auch von äußeren Umständen abhängt, wie schnell sich der Charakter einer Person entwickeln kann.
Es ist also absolut logisch dass es in anderen Kulturen - schon von den Umständen her - von Kindern erwartet wird, wesentlich schneller Fähigkeiten zu erlernen, die zum Überleben der Gruppe und dem Individuum selbst, erforderlich sind.
In der Föderation lernen Kinder wahrscheinlich nicht viel Anders, als wir es getan haben - mit Ausnahme, dass die Ressourcen in der Föderation größer sind, keine Armut herrscht und Bildung für Alle auch wirklich die gleichen Chancen bietet, usw.
Entsprechend sicher, kann der Charakter in einem ausreichend großen Zeitraum sich entwickeln und wachsen.
In einer eher "primitiven" Gesellschaft bleibt dafür weitaus weniger Zeit.
Hier muss das Invidiuum weitaus schneller selbstständig werden und sich gewisse Fähigkeiten aneignen (wie oben beschrieben).
Daher ist es also IMMER von den äußeren Umständen aus Familie, Gesellschaft und Lebensraum abhängig, wie schnell Charaktere Lebenserfahrung und charakterliche Reife erfahren und das sollte man in einer Diskussion um junge-/Kindercharaktere immer bedenken.
Ein weiteres, praktisches Beispiel aus eigener Erfahrung in Bezug auf Star Trek - Cadets:
Meine vier Kadetten haben ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
David Albers wuchs auf der Erde in sehr großer Sicherheit auf.
Entsprechend ist er natürlich im Umgang mit moderner Technik zweifellos auf einem sehr guten Stand, hat aber eine eher "einfache" Kindheit gehabt, die in großer Sicherheit verlief und ihm Zeit gab, sich seine Ziele auszusuchen und Erfahrungen zu machen.
Mila Kell hingegen, stammt von Alioth IV, einer kleinen, sehr abgelegenen Kolonie der Föderation.
Das Leben dort war nicht ganz so einfach, auch wenn moderne Technologie natürlich vorhanden war.
Also wurde von ihr (und ihrer "Generation") deutlich schneller und mehr Eigenverantwortung erwartet, um das Wohl der Kolonie zu sichern. Entsprechend ist sie unabhängiger und "erwachsener", als ein vergleichbarer Teenager/junger Erwachsener aus einer zentralen Welt der Föderation, wie z.B. die Erde, wo das Sichern des eigenen Überlebens und das der Kolonie eher weniger Priorität für den Einzelnen hat.
Shras stammt von Andoria, auch eine raue Welt, jedoch sicherlich technisch "besser ausgestattet" als eine entlegene Kolonie.
Andorianer werden sicherlich ein wenig anders erzogen, als Menschen (schon im Sinne der unwirtlichen Umgebung und ihrer Mentalität, was Ehre und Pflichtgefühl anbelangt).
Und
Naomi hat ja einen ganz anderen Background:
Sie wuchs auf der Voyager auf, weit entfernt in einer Umgebung, die - außerhalb des Raumschiffes - ebenfalls eher als unwirtlich i.S.v. gefährlich weil eben unbekannt, beschrieben werden muss.
Zwar genießt sie die Sicherheit der Gemeinschaft, aber in Anbetracht einer wahrscheinlich langen Reise, begrenztem Raum und Ressourcen sowie auch der Tatsache, dass Personal mitunter knapp wird, hätte sie wahrscheinlich schneller in Verantwortung kommen können/müssen, als ein vergleichbares Kind/Teenager auf einem Planeten der Föderation.
=A=
Ich hoffe, ich konnte meine Argumente und die dazugehörigen Untermauerungen verständlich ausführen, da ich darlegen wollte, dass Kind nicht gleich Kind ist und es viele Argumente/Situationen/Umstände gibt/geben kann, die eine schnellere charakterliche Entwicklung erklären können und das sogar sehr logisch.
In diesem Sinne freue ich mich auf Eure Gedanken und eine weiterhin so fruchtbare Diskussion.
EDIT:
Das habe ich jetzt - mal wieder vergessen; ja, mein Gedächnis

.
Der letzte Punkt betrifft Kadetten der Sternenflotte - inbesondere die (wenn auch thematisch richtige) sehr klischeehafte Darstellung des Red Squad in Star Trek Deep Space Nine.
Das Red Squad ist bekanntlich eine Eliteeinheit innerhalb des Kadettenkorps der Sternenflotte.
Sie genießen gewisse Privilegien aufgrund guter oder gar außergewöhnlicher Leistungen in der Ausbildung (soweit halte ich das für absolut vertretbar, denn in jeder Generation gibt es immer eine kleine Reihe hochgebildeter Ausnahmen).
Was jedoch daraus gemacht wurde, war eine - gewollt - übertriebene Darstellung eines schlechten Beispiels, nämlich falscher Ehrgeiz, Selbstüberschätzung und blinder Gehorsam, das der HJ (Verzeihung für das krasse Beispiel) entnommen zu sein schien.
Als Beispiel führe ich hier die Beteiligung des Red Squad (namentlich durch Kadett Riley Aldrin Sheppard vertreten) am Putschversuch von Admiral Leyton an.
Das Problem für mich ist, das hier ausnahmslos Alle Red Squad Kadetten so klischeehaft behandelt wurden und es keine positive Ausnahme gab. Das sorgte für den äußerst faden Beigeschmack einer ansonsten IMO guten Idee.
Diese Themen (Selbstüberschätzung, blinde Gefolgschaft, etc.) aufzugreifen war zwar absolut richtig im Sinne der Botschaft, jedoch hätte ich mir gewünscht, hier nicht voll in die Kerbe zu schlagen, sondern eine zweite Schiene zu fahren - also auch Kadetten zu zeigen, die eben nicht so blind sind.
Das hätte diese Angelegenheit weitaus erträglicher gemacht, wurde aber absolut versäumt, auch wenn es im Sinne des Drehbuchs nachvollziehbar ist, da man sonst auf Sisko und Odo hätte verzichten müssen, die schließlich den ganzen Putschversuch Leytons aufgedeckt haben.
Wäre es also nicht DS9 gewesen sondern eine Serie mit dem Titel "Kadetten" oder "Starfleet Academy", hätte man dem Red Squad Kadetten entgegenstellen können, welche die Situation richtig einschätzen (gern auch mit entsprechender Hilfe von erfahrenen Offizieren) und zumindest einen Teil dazu hätten beitragen können, das Ganze zu stoppen.
Kurz gesagt: hier wurde (ob nun bewusst oder unbewusst) ein ziemlich schlechtes Licht auf Kadetten ganz im Allgemeinen geworfen, was mir im Sinne der Star Trek Philosophie missfallen hat.
Es ist nur Schatten da und keinerlei Licht und das es - mal wieder junge Charaktere - ausnahmslos (bis auf vielleicht Nog) ins schlechte Licht gerückt hat, kommt schon fast einer Vorverurteilung gleich.
Das ist mir sauer aufgestoßen.
Denn innerhalb der Föderation wird es sicher einen hohen Standart an Bildung, Erziehung und Individualität geben, ebenso Gewissensbildung im Sinne von "Richtig" und "Falsch".
Die Menschheit (und die Föderationsgesellschaft) wurde/n immer als "gereift" dargestellt, in dem Sinne, dass sich (hier mal exemplarisch nur) die Menschen weiterentwickelt haben, Vorurteile wurden überwunden, Rassismus so gut wie eliminiert, usw.
Aber in Bezug auf die Jugend wurde das anscheinend alles außer Acht gelassen, um schwache Charaktere zu generieren, damit Erwachsene ausnahmslos immer die Rolle des Ritters bekamen, die auf dem weißen Ross angeritten kommen und den Tag retten, weil junge Figuren sich (mal wieder) in die S***** geritten haben und natürlich zu "dumm" sind, dies zu erkennen oder genug Verantwortungsbewusstsein/Reife besitzen (dürfen), selbst zur Schadensbegrenzung beizutragen.
Und das ist etwas, womit ich große Probleme habe.
=A=
EDIT 2: (man, das ist ja schon ein Hammerpost!

)
Das ganze Thema habe ich vor, auch ein einem meiner Romane zu behandeln und zwar in der Geschichte mit dem Titel "Kosequenzen".
Hier nehmen Mila Kell und Naomi Wildman an einem Erstkontakt mit einer Spezies namens Greilor teil.
Sie verstoßen im Verlauf des Ersten Kontakts unwissentlich gegen ein heiliges Gesetz der Fremden, denen Wasser heilig ist.
Ich gehe hier nicht ins Detail, da ich sonst spoilere und schließlich soll Ihr das Werk - sobald es kommt - ja lesen und selbst erfahren, was passiert.
Captain Althrin, die erstmal eine Erstkontaktmission leitet, ist natürlich auf der Zinne und es wartet jede Menge Ärger auf Mila und Naomi.
Angelegt habt ich den Captain so, dass sie gar nix vom "Praxisjahr" hält und in ihren Augen Kadetten gar nicht auf dieser Mission hätten dabei sein dürfen, was jedoch auf "Wunsch" eines Botschafters der Föderation namens Sugihara geschah.
Im Verlauf der Handlung finden Mila und Naomi ein Schlupfloch im Kodex der Greilor, welches ihnen die entsprechende Strafe für ihren Verstoß ersparen würde.
Nur das würde natürlich Althrin's Vorurteile hinsichtlich Kadetten voll und ganz entsprechen (sich aus der Affäre ziehen, anstatt für das Fehlverhalten gerade stehen).
Da der Kodex der Greilor hier aber das Schlupfloch bietet (wie genau, verrate ich natürlich nicht), würde das fremde Volk natürlich nicht beleidigt sein, da seine Gesetze nicht erneut gebrochen werden.
Meine beiden Kadetten stehen also vor der Wahl:
Entweder, sie nehmen das Schlupfloch wahr und entgehen der Strafe, bestätigen damit aber die Vorurteile des Captains oder stellen sich dem Ganzen, obwohl sie das ja nicht zwingend tun müssen.
Entsprechend habe ich den Captain des Raumschiffes "Emissary" als negative Charakterfigur aufgebaut, um hier mal ganz klar zu zeigen, dass junges Alter eben nicht Verantwortungsbewusstsein ausschließt und das Vorurteile gegenüber der Jugend ebenso falsch sind, wie Vorurteile gegenüber Rasse, Geschlecht oder Hautfarbe.
Klingt vertraut?
Jupp, die Handlung wurde angeregt durch die TNG Folge "Das Gesetz der Edo", in dem Wesley Chrusher aufgrund eines - aus unserer Sicht - lapiadren Verstoßes hingerichtet werden soll.
Aber bekommt der Junge die Chance, irgendwie selbst aus der Sache herauszukommen?
NEIN! Picard ist hier der überlegene Erwachsene, der auf dem weißen Ross angeritten kommt - dazu auch noch die Oberste Direktive über Bord schmeißt - und die Edo mal eben dazu bringt, von der Hinrichtung abzusehen, und damit sie dazu bringt, ihre eigenen Gesetze in Frage zu stellen.
Klischeehaft DUMM, ohne Ende.
Genau auf dieser Tatsache baut "Konsequenzen" auf und rückt die junge Generation mal in ein besseres Bild. Jegliche andere Herangehensweise würde mich zum Mittäter an diesen Vorurteilen gegenüber jungen Menschen machen.
Es ist Zeit, hier endlich eine Lanze zu brechen.
Ich hoffe, ich "überfordere" Niemanden mit diesem Megapost, aber es ist eben ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt.